Frauen, Sport und Hormone -
zwischen Defizit und Mangel

 

Ohne Hormone läuft im Sport nichts: nicht nur im Leistungssport, wo wir die hohe Leistungsfähigkeit gut trainierter Männer und Frauen bei ihren sportlichen Aktivitäten bewundern, sondern auch im Amateursport. Schneller, weiter, höher, noch mehr „Sixpack“ in den Bauchmuskeln, unser Ehrgeiz und vor allem unsere Vorstellung von unserem Körper - Psychologen nennen dies das „eigene Körperbild“- treibt uns an. Nicht nur „gut aussehen“, sondern auch „fit sein“, sind die Ziele, die wir beim Sport verfolgen.

Beim Ausdauersport ist das eigene Körpergewicht entscheidend: je schwerer, desto langsamer, desto kürzer die Distanzen. Typisches Beispiel sind die Radrennfahrer der Tour de France: häufig sehen wir in der Zielgeraden ausgemergelte, ganz dünne Männer, wo anscheinend jede Muskelfaser sichtbar ist. Gleiches gilt für Langstreckenläuferinnen: ein schmaler Körper mit ausgeprägten Oberschenkeln und Wadenmuskulatur trägt die Läuferinnen durch den Wettkampf. Aber wie schafft man es, einen Körper zu dieser Höchstleistung zu trainieren?

Gewicht und Willensstärke

 

Abbildung 1: Voraussetzung für gute Leistungen im Sport: Gewicht und Willensstärke

 

Es gibt zahlreiche Konzepte und Vorstellungen, wie Höchstleistungen erbracht werden. Einheitliche Rezepte gibt es allerdings nicht. Für die Marathonläuferin Laura Hottenrott ist ein 42 km - Lauf nicht nur eine körperliche Belastung, sondern immer auch eine mentale Herausforderung. „Der größte Fehler beim Training ist“, so Laura Hottenrott, „wenn das Training selbst nicht zu einem passt, das Körpergefühl nicht in das Training eingebracht wird und nur nach einer klar definierten Schlagzahl, Pace, trainiert wird. Die meisten Trainingspläne differenzieren nicht zwischen Männer und Frauen.“

Was sind also die Grundlagen für ein wirksames und gesundes Training?


Frauen: Hormone, Sport und Training

„Dass Frauen anders sind als Männer, hat man in der Medizin über Jahrzehnte völlig ignoriert“, so die Kardiologin Frau Prof. Dr.Vera Regitz-Zagrosek, Charité. Sie ist eine der ersten Mediziner/innen, die auf die Bedeutung der Geschlechter in Medizin, Sport und Forschung hingewiesen hat. Heute gibt es, dank ihres Engagements, Lehrstühle für Gender Medicine und zahlreiche Quellen zu diesem Thema bis hin zu Wikipedia-Einträgen. „Frauenherzen schlagen anders“ war die Überschrift ihrer Vorträge: das Herz ist bekanntlich kleiner, das Blutvolumen ist geringer, auch der Sauerstoffträger „Hämoglobin“ in den roten Blutkörperchen ist um 10-15% niedriger als beim Mann. Deshalb steigt der Puls bei Frauen bei sportlichen Aktivitäten deutlich schneller an als bei Männern.

Frauen haben auch eine andere Körperzusammensetzung: im Schnitt sind sie kleiner und zehn Kilo leichter, der Body-Fettanteil ist höher, mit deutlich höheren Fettspeichern in Muskeln und Haut. Frauen besitzen 30-40 % weniger totale Muskelmasse und haben die gleich große Anzahl von Typ 1 Muskelfasern (ermöglichen Ausdauerleistung) wie Typ 2 Fasern, wohingegen der Mann einen größeren Anteil der schnellen Typ 2 Fasern (schnelle Kraftentwicklung, ermüden schneller) vor allem an den unteren Extremitäten hat. Auch der Zyklus der Frauen spielt eine entscheidende Rolle für die Belastbarkeit: in der ersten Zyklushälfte, also in der Follikelphase, ist die hormonelle Situation dem Mann am ähnlichsten. Die weiblichen Hormone wie Östrogen und Progesteron, aber auch Testosteron sind sehr niedrig. In dieser Phase steigt das Östrogen langsam an, dann ist der weibliche Körper am besten dazu geeignet, „aufzubauen“, er befindet sich in der anabolen, aufbauenden Phase (vor allem in der späten Follikelphase). In dieser Phase sind die Frauen auch weniger hitzeempfindlich.

Nach der Ovulation, dem Eisprung, der Lutealphase, steigt die Körpertemperatur immer etwas an, die Temperaturempfindung nimmt zu. Während beim Mann das Testosteron den Eiweißaufbau, die Proteinsynthese, fördert, macht dies bei der Frau das Östrogen. Dieses Hormon fördert auch den Ausbau des Zuckerspeichers, Glykogen, im Muskel sowie und den muskulären Fettauf – und abbau. Eine weitere Besonderheit zeichnet dieses Hormon aus: Frauen beobachten in der zweiten Zyklushälfte eine stärkere Wassereinlagerung, dadurch kann das Gewicht etwas ansteigen. Dank des Östrogens verbessert sich in der zweiten Zyklushälfte auch die Stimmung.

Der weibliche Zyklus steuert den Stoffwechsel

 

Abbildung 2: Der weibliche Zyklus steuert den Stoffwechsel und damit die Leistungsfähigkeit, die Kraftentwicklung und die Erholungsphase (Wikipedia)

 

Progesteron ist der Gegenspieler des Östrogens: Eiweiß- und Zuckerspeicher werden zur Energiegewinnung abgebaut (Glykogen), die Körpertemperatur steigt und die Lungenatmung (Ventilation) nimmt zu. In der Gebärmutter wird zunehmend Schleimhaut aufgebaut, der weibliche Organismus wird somit auf eine mögliche Schwangerschaft vorbereitet. Deshalb ist der Muskelaufbau in der zweiten Zyklusphase (der Lutealphase) erschwert. Intensive Belastungen werden deutlich als anstrengender empfunden, die Hitzetoleranz ist eingeschränkter, da die Körpertemperatur aufgrund des steigenden Progesterons um 0,5°C höher ist. Gegen Ende der zweiten Zyklushälfte können auch häufig noch PMS – Beschwerden, (Prämenstruelles Syndrom, PMS) die Leistungsfähigkeit des weiblichen Körpers einschränken. In dieser Phase sollten Frauen nicht nüchtern trainieren, da der Bedarf an Kohlenhydrate höher ist in dieser Zyklusphase. Der Kalorienbedarf in der zweiten Zyklusphase ist um circa 200 kcal höher als in der ersten Zyklushälfte. Häufig wird dann die Lust auf Süßes beschrieben (Literatur beim Verfasser).

Nicht nur die Leistungsfähigkeit ist durch menstruationsassoziierte Beschwerden eingeschränkt, das Wechselspiel der Hormone hat auch Einfluss auf die Verletzungshäufigkeit. So ist etwa das Risiko von Frauen für eine Kreuzbandverletzung vier-bis sechsmal höher als von Männern in derselben Sportart. Die geschlechtsspezifisch andere Beinanatomie und neuromuskuläre Kontrolle wurden dafür verantwortlich gemacht, doch möglicherweise sind ungünstige Winkel und Kraftmomente im Knie auch eine Folge des Menstruationszyklus. So liegt in der ersten Zyklushälfte, der präovulatorischen Phase, das größte Risiko für eine Kreuzbandverletzung. Zu diesem Zeitpunkt sind aufgrund von Hormonwirkungen die Bänder weicher, was zu stärker ausgeprägtem Knievalgus („X-Bein“) und größerer Außenrotation der Tibia während der Aktivität führt.
Noch bevor die regelmäßige Monatsblutung komplett aufhört, also in der Perimenopause, ändert sich die Leistungsfähigkeit der Frauen, da Östrogen und Progesteron nicht mehr in den üblichen Konzentrationen im Körper wirken. Häufig steigt das Gewicht langsam an. Die Wirkung des Östrogens, das den Stresshormonen entgegenwirkt, nimmt zunehmend ab, so dass auch der Blutdruck und Puls unter psychischen und körperlichen Belastungen schneller ansteigen.

Die Schlafqualität ändert sich schon häufig vor der Menopause, dadurch ändert sich auch die Reaktion bei Belastungen, vor allem auch bei sportlichen Aktivitäten. Eine Hormonersatztherapie, bestehend aus Östrogen und Progesteron, kann diesen Veränderungen entgegenwirken, aber die Daten hierfür sind nicht konsistent (Giuseppe Mercuro G et al.2007, Obstet.Gynecol. Vol 110 Effect of Hormone Therapy on Exercise Capacity in Early Postmenopausal Women).


Frauenpower: „weniger Kraft, mehr Ausdauer“

Frauen und Männer reagieren auf intensive Trainingsphasen und Wettkampfbelastungen völlig anders: während sich bei Männern unter extremen Belastungen und dem damit verbundenen Stress die Testosteronregulation verändert, reagieren die Frauen häufig mit Zyklusstörungen. Die Zyklusstörungen sind vor allem abhängig von der zugeführten Energieaufnahme: wird zu wenig zugeführt und zu viel Energie gefordert (negative Energiebilanz) können häufig Zyklusstörungen die Folge sein.

Biologisch lässt sich dies einfach erklären: ein weiterer Blutverlust würde dem Körper noch mehr Blut und Energie rauben. Es gibt Sportarten, bei denen eine negative Energiebilanz gewünscht ist: Skisprung, rhythmische Sportgymnastik oder Geräteturnen. Deshalb sind in diesen Sportarten Zyklusstörungen bei Frauen sehr häufig. Wichtig ist deshalb in diesen Sportarten, die Phasen der negativen Energiebilanz so kurz wie möglich zu halten und in trainingsfreien Intervallen die Energiezufuhr wieder deutlich zu erhöhen. Das Relative Energiedefizit Syndrom (RED-S, Relative Energy Deficite Syndrom) beruht auf einer dauerhaft niedrigen Energiezufuhr bei männlichen wie auch bei weiblichen Athleten.

Bleibt der Zyklus aus oder ist über längere Zeit unregelmäßig, steigt das Risiko für Stressfrakturen. Ist für drei Jahren keine Monatsblutung mehr vorhanden, liegt ein irreversibler Knochenmassenverlust vor. Warum verringert sich die Knochenmasse? Der Knochen besteht aus Eiweiß und einem Mineralgerüst, das in Hungerphasen als Energielieferant herangezogen wird.

Der Energiebedarf am Tag hängt von mehreren Faktoren ab und ist individuell sehr unterschiedlich, vor allem, wenn ein überdurchschnittlich hoher Grundumsatz vorhanden ist. Deshalb ist es wichtig, den Grundumsatz, d.h. den Energiebedarf unter Ruhebedingungen, zu messen. Dies sollte dann eine Grundlage sein für die weitere Trainingsplanung. Die Follikelphase wie auch die Ovulation (s.o.) haben unterschiedliche Einflüsse auf die Atemleistung, die Thermoregulation, die Laktatproduktion (Laktat = Milchsäure, wird im Muskel bei zunehmendem Sauerstoffmangel produziert), die Muskel- und Stoffwechselaktivierung. Wichtig ist, dass die maximale Sauerstoffaufnahme in der Muskulatur, VO2max-Werte, von den Menstruationsphasen unbeeinflusst ist. Der Sauerstoff dient den Muskelzellen dazu, Energie zu produzieren.

Männer haben mehr Kraftwerke

 

Abbildung 3: Muskelphysiologie: Männer haben mehr Kraftwerke „Mitochondrien“ in der Zelle, der Anteil an Fett (Triglyceride) ist jedoch bei Männern niedriger, das Glykogen, (Zuckerspeicher-Anteil) dafür höher. Deshalb entwickeln Männer sehr schnell Kraft, Frauen hingegen zeigen vor allem in den Zyklusphasen, in denen Östrogen dominiert, eine stärkere Fettverbrennung und sind deshalb für Ausdauerleistungen in diesen Zyklusphasen deutlich besser ausgestattet. Sie sparen also die Zuckerverbrennung auf. Dies erklärt, dass am Ende einer Ausdauerbelastung Frauen noch viel Sprint – Reserven haben, da noch ausreichend Glykogen vorhanden ist.

 

Die Frage ist, ob Frauen durch vermehrte Kohlenhydrataufnahme (Carboloading) die Leistungsfähigkeit erhöhen können (VO2max). Zwar wird vermehrt Glykogen aufgebaut, aber die Leistungsfähigkeit auf kurzen, intensiven und lang andauernden Distanzdisziplinen bleibt dabei unbeeinflusst. Eine vermehrte Eiweißzufuhr hat ebenfalls keine signifikanten Veränderungen auf die Leistungsfähigkeit. Wichtig ist allerdings, dass eine fettarme Ernährungsweise die Leistungsfähigkeit der Frauen in erheblichem Maße einschränkt: das Wiederauffüllen der Fettspeicher, Triglyzeride genannt, ist wichtig, um die Ausdauer zu verbessern.


Zyklusbasiertes Training

Ein „Zyklustracking“ ist nur bei nicht-hormoneller Kontrazeption möglich.
Das aufmerksame Monitoring des eigenen Menstruationszyklus und eine entsprechende individuelle Ausrichtung von Trainingsplänen an den eigenen Zyklus kann neben einer Verbesserung der Belastungseffizienz möglicherweise auch das Verletzungsrisiko mindern: (Prof.Dr. J.Kirsten, Uni Ulm): in der Follikelphase, wenn das Östrogen hoch ist, ist das Leistungsniveau und damit der Energieschub am höchsten. Dann sollte intensives Training, Krafttraining und hochintensives Intervalltraining (HIIT) durchgeführt werden. In der Lutealphase (also nach dem Eisprung), sollte Ausdauertraining absolviert werden, gefolgt von einem regenerativen Training am Ende dieser Phase (vor der Monatsblutung).


Beispiel für ein Zyklus-basiertes Training bei Frauen:


Grundlage:
Der weibliche Menstruationszyklus dauert durchschnittlich 28 Tage und besteht aus mehreren hormonellen Phasen (Menstruation, Follikelphase, Ovulation, Lutealphase). Diese Hormonschwankungen (v.a. Östrogen und Progesteron) beeinflussen Energielevel, Kraft, Ausdauer und Regeneration.

Empfehlungen für ein Zyklus-basiertes Training:

- Menstruation (Tage 1–5):
Niedrige Hormonspiegel, oft geringere Energie.
→ Leichtes Training, z.B. lockeres Krafttraining, Stretching, Yoga, Spaziergänge.

- Follikelphase (Tage 6–13):
Anstieg von Östrogen, hohe Energie und Regenerationsfähigkeit.
→ Intensive Kraft- und Ausdauertrainings, neue Trainingsreize, Maximalkraft.

- Ovulation (ca. Tag 14):
Höchster Östrogenspiegel, beginnender Progesteron-Anstieg, maximale Leistungsfähigkeit.
→ Intensive Workouts, Maximalkraft, PR-Versuche im Krafttraining (Personal Records oder persönliche Bestleistungen) sind Versuche, ein höheres Gewicht oder eine höhere Anzahl an Wiederholungen zu erreichen, als man es zuvor geschafft hat. Sie sind ein wichtiger Teil des Trainings, um Fortschritte zu verfolgen und Motivation aufzubauen.

- Lutealphase (Tage 15–28):
Progesteron steigt, Energie kann sinken, PMS möglich.
→ Moderates Training, Fokus auf Technik, Mobility, ggf. Intensität reduzieren. Individuelle Unterschiede: Nicht jede Frau spürt die Phasen gleich stark. Ein Trainingstagebuch kann helfen, persönliche Muster zu erkennen.

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